Montag, 19. Mai 2014

20 Jahre „Jazz+“ in der Seidlvilla


Eine angenehme Lage, als Lieblingsband eingeladen zu werden. In der Hinsicht hatten das „Sebastian Gille Quartett“ und das Trio „Rusconi“ am vergangenen Samstag in der Seidlvilla gute Voraussetzungen. Für den zweiten Konzerttag zur Feier des 20-jährigen Jubiläums der monatlichen Reihe „Jazz +“ war die Wahl des Programmverantwortlichen Martin Kolb auf sie gefallen.
Am Freitag hatten bereits die „Lotus Eaters“ und „Schneeweiss und Rosenrot“ die Jazz-Bühne warmgespielt. Wie sie traten auch Rusconi bereits zum wiederholten Mal in der Villa auf. Das Sebastian Gille Quartett spielte erstmals auf dieser Bühne. Die beiden Ensembles brachten durch ihre kontrastierenden Stile ganz unterschiedliche Facetten des jungen mitteleuropäischen Jazz zur Geltung.
Saxofonist Sebastian Gille zeigte sich im Zusammenspiel mit Pablo Held am Piano, Robert Landfermann am Bass und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug als „hard working jazzer“. So konnte man seinen reflektierten, komplexen Kompositionen bei einem nahezu organischen Entfaltungsprozess zuhören. Die vier Musiker gaben jedem einzelnen Ton Bedeutung, insbesondere den feinen und leisen. Als wäre es ihnen ein Anliegen zu zeigen, dass ein Saitenanschlag oder ein herbeigehauchter Saxofonton genauso wichtig ist wie eine verschachtelte Passage oder ein quirliger Verlauf.
Im Anschluss setzten Rusconi als Kontrast ihren melodieorientierten Pop-Rock-Jazz dagegen. Den präsentierten die drei, als hätten sie die Stücke beim Brainstorming in der Stammkneipe oder beim Schuleschwänzen in der Garage ausgetüftelt – das aber mit viel Fantasie und auf musikalisch hohem Niveau. Da wurden Piano, Bass und Schlagzeug kurzerhand um diverse Klänge ergänzt, von elektronischen Sounds über Gamelan-Klänge bis hin zur Bierflasche und Gesangspassagen. Ein anspruchsvoller und abwechslungsreicher Start in die dritte Dekade „Jazz +“.

Montag, 12. Mai 2014

A Cappella hoch fünf und Folk-Pop auf alt



Der Konzertabend begann A Cappella. Das Münchner Vokalensemble M5ive brachte am Samstag seine ganze eigene Mischung aus Jazz, Pop und Folk auf die Bühne des Spectaculum Mundi. Darunter die Stücke „Fragile“ von Sting und „Take Five“ von Paul Desmond. Die Arrangements stammen überwiegend von Franz Müller (Tenor). Den M5ive kommt es abgesehen von der gesanglichen Feinabstimmung auch auf den Spaß bei der Präsentation an. So kann ein Quintett, das zu 2/5 aus Österreichern besteht, schon mal einige humorige Dialekt-Elemente in einen Auftritt einbauen. Mit 1/5 aus Italien lässt sich auch diese Landessprache effektvoll einbeziehen.
In der zweiten Konzerthälfte präsentierte das Trio neoschoen mit Drehleier, Gitarre, Akkordeon und Melodica Folk-Pop mit Mittelalterelementen. Der Einsatz in diesem musikalischen Stil zeigte, was für vielfältige Klänge sich aus einer Drehleier herausholen lassen. Mal waren es fast e-gitarren-artige Sounds, mal Klänge mit Cello-Charakter und bisweilen leierte das Instrument ganz seinem Namen entsprechend. Zum Abschluss des Abends präsentierten die beiden Ensembles gemeinsam „Proud Mary“. Die Musiker gehören zum überschaubaren Kreis der Bands, die das Jahr über im Spectaculum Mundi schon mal die Bühne anwärmen für den Herbst, wenn hochkarätige Vokalensembles zum 18. Mal Deutschlands größtem A Cappella Festival „Vokal Total“ ihre Stimmen verleihen.

Sonntag, 4. Mai 2014

Welttag des Jazz mit „The Golden Striker Trio“


Am vergangenen Mittwoch, dem Welttag des Jazz, brummte der Night Club im Bayerischen Hof. Es kommt zwar ab und an vor, dass hier auch interessante Konzerte eher mäßig besucht sind. Aber Ron Carter mit dem „Golden Striker Trio“ – das zieht. Der US-Bassist ist so eine Art  musikalisches Perpetuum Mobile. Er ist auf beachtlichen 2.000 Alben zu hören, davon 20 unter seiner Leitung aufgenommen. Eine Vielzahl von Stücken hat er selbst komponiert. Er lehrt an mehreren renommierten amerikanischen Hochschulen und hat sich mit seiner Musik auch mehrfach politisch engagiert, unter anderem gegen die Apartheid und die Verbreitung von AIDS.
Es verwundert daher nicht, dass er am Konzertabend den „Night Club“ neckisch als „sein Wohnzimmer“ bezeichnete. Vom ersten Takt an klang es, als stünden Carter und seine ebenfalls hochkarätigen Co-Musiker, Pianist Donald Vega und Gitarrist Russell Malone, schon eine gute Stunde auf der Bühne. Carter spielte wie ein Uhrwerk, dabei ein ausgesprochen einfallsreiches. Elegant zeigte er, was für ein vielseitiges Melodieinstrument ein Kontrabass sein kann. Da quietschten, flüsterten, sangen und wummerten die Saiten, bis ihr Ton wechselte, abbrach oder bisweilen in den holzigsten Tiefen langsam ausklang. Carter gehen offenbar einfach nie die Ideen aus. Wahrscheinlich könnte er auch mal eben eine Stunde am Stück improvisieren.
Doch er spielte ebenso aussagekräftig „mit“, wenn sich Pianist Donald Vega in schimmernden Melodien und markanten Akkorden über die Klaviatur oder Gitarrist Russell Malone ebenso virtuos über die Saiten spielten. Der Wechsel zwischen starkem solistischen Ausdruck und zurückhaltendem Trio-Spiel gelang ihnen allen elegant. Eine besondere Stärke des Konzerts zeigte sich in den gut gesetzten Kontrasten in Rhythmus, Klangfarbe und Stimmung. Die gespielten Stücke reichten von neuen, zum Teil eigenen Kompositionen bis hin zu Standards. Ein Schwerpunkt war das Programm der aktuellen CD „San Sebastian“, darunter „The Golden Striker“ von John Lewis, nach dem sich das Trio benannt hat.
Durch feinsinniges Interpretieren und einfallsreiches Improvisieren konnten die drei jedem Stück einen eigenen, neuen Klang und Charakter geben. Mit dem von Ron Carter und Jim Hall komponierten „Candle Light“ zeigten sie ihr Potential für ohrschmeichelnde musikalische Sanftheit. In schnelleren Stücken warteten sie bisweilen völlig willkürlich irgendwo mit humorigen Überraschungseffekten auf. Da rannte Mallone schon mal von einem Takt auf den nächsten seinen Co-Musikern auf der Gitarre davon, als wolle er spontan eine Jazzpolka anstimmen, oder Carter baute in ein Solo das bekannte Thema aus „La Cucaracha“ ein. Ein Konzert, das man in mehrfacher Hinsicht reich nennen kann - an Abwechslung, an musikalischer Qualität und an Unterhaltungswert.

Samstag, 26. April 2014

„A Jazz Walk Through Munich“ auf dem Weg



Passend zum Motiv der Welttage des Buches am 23. April und des Jazz am 30. April bin ich gerade dabei, die Schreibarbeiten am Jazzbuch München abzuschließen. Lektorat, Layout und Organisatorisches stehen zwar noch an – doch interessierte Leser werden es auf jeden Fall 2014 in die Hände bekommen. 35 Jazzorte in München werden in englischer und deutscher Sprache, und nicht nur sprachlich, sondern auch grafisch anschaulich mit etwa 170 Fotos, vorgestellt. Leser können die Geschichte und das Flair der Orte kennenlernen, die Erfahrungen und Motive der Menschen, die den Jazz auf die Bühne bringen, und so manche witzige Anekdote. Auf dem Weg erleben sie auch ganz unterschiedliche Münchner, nationale und internationale Musiker auf Münchner Bühnen. Das richtige Buch für Jazzfans und alle, die welche werden wollen.

Freitag, 11. April 2014

Mentoren-Trio & Drums – Jazz in der Bar Gabányi



Donnerstage bedeuten in der Münchner „Bar Gabányi“ Live-Musik. Gut für Jazzfans: Sie bedeuten auch regelmäßig Live-Jazz. Er teilt sich das Musikprogramm mit Klassik, Folk und Pop. Am vergangenen Donnerstag standen Tizian Jost, Jason Seizer, Marc Abrams und Matthias Gmelin im Quartett auf der Bühne. Wobei die ersteren drei sozusagen auf Einladung des letzteren da waren – als Mentoren und Vorbilder des jungen Schlagzeugers. Das Motto erklärt auch, warum das Quartett an diesem Abend viele Schlagzeuger-Kompositionen spielte. Es zeigte sich: Das tat dem zentralen Platz von Piano und Saxophon keinen Abbruch.
So war viel zu hören von Tizian Josts schillerndem Solo-Ton am Piano. Besonders in den hohen Lagen entlockte er den Tasten schnell aufschießende, melodiöse Klangspringbrunnen. Auch Jason Seizers Tenorsaxophon hatte in diesem Konzert viel Raum. Meist mit klarem, dunklem Ton, doch bei einer Ballade präsentierte sich der Saxophonist auch mit zartem Klang. In einigen Parts trat Marc Abrams mit melodischen Bass-Improvisationen in den Vordergrund. Das machte ihm offenbar so viel Spaß, dass man ihm ohne Weiteres den Beinamen „Der mit dem Bass tanzt“ hätte geben können. Doch auch Gmelin, der zu dieser Runde eingeladen hatte, präsentierte sich in Soloparts am Schlagzeug. Fast wie eine musikalische Darstellung des Austauschs mit seinen Mentoren wirkten die dialogischen Abschnitte, bei denen kurze Soli zwischen dem Schlagzeug und den drei anderen Instrumenten in schneller Folge hin- und hersprangen.
Nach ihrem Auftritt holten sich die Musiker an der Bar die verdienten Erfrischungen ab. Wer mochte, konnte unbeschwert anstoßen – auf die Bar, den Jazz, und noch viele weitere hörenswerte Verbindungen von beidem.

Montag, 10. März 2014

Von Brise und Sturm – Colin Vallon und Julian Sartorius präsentieren „Le Vent“



Improvisation ist ein wesentliches Element im Jazz. So gesehen stand dieses Samstagskonzert im Jazzclub Unterfahrt ganz besonders im Zeichen des Jazz. Denn wenn ein Drittel eines Trios krank ist, müssen sich die verbleibenden zwei Drittel etwas einfallen lassen. Und wenn diese zwei Drittel dann auch noch wegen einer hindernisreichen Anreise spät dran sind, dann müssen sie sich eben noch mehr einfallen lassen.
Pianist Colin Vallon und Schlagzeuger Julian Sartorius aus der Schweiz sind gut im Improvisieren. Und so war schließlich der Sound rund, die Bühne vorbereitet, und die beiden saßen mit einer halben Stunde  Verzögerung beim Journalistenduo Oliver Hochkeppel und Ssirus Pakzad in der Lounge. Wer bei dieser Talkrunde dabei war, erfuhr Interessantes und Unterhaltsames zum Musikerleben von Vallon und Sartorius und zur Entstehung des aktuellen Albums „Le Vent“. So etwa, dass Sartorius derart an seinem Schlagwerk-Sammelsurium hängt, dass ihm zuletzt ein verlorener Koffer wirklich schwer zu schaffen machte – der aber zum Glück bald wieder auftauchte.
Im anschließenden Konzert präsentierte der Schlagzeuger ganz gemäß Impro-Plan das erste Set kurzerhand als Solist. Mal hatten seine Eigenkompositionen asiatische Anklänge, mal entstand der wuchtige Sound eines enormen Maschinenwerks, und oft sprangen kleine, feine Pings, Klacks und Wirbel über die Bestandteile seines Multi-Percussion-Bausatzes, den er während des Spielens ständig umbaute. Die Stimmung dieses musikalisch fein gearbeiteten Sets war fast durchweg humoristisch – ganz wie die neckische Art, in der Sartorius es vortrug.
Colin Vallon setzte im zweiten Set am Flügel ebenso minimalistische wie nachdenkliche Kompositionen als Kontrast dagegen. Im Spiel an den Tasten und direkt an den Saiten entlockte er dem Instrument klare, zart schillernde Melodien von sanfter Energie, die den Hörer in sich hineinsinken ließen. Dass die Themen Sterben und Vergänglichkeit zuletzt wesentlichen Einfluss auf seine Kompositionen hatten, war hör- und verstehbar, jedoch ohne ins allzu Schwermütige abzudriften.
Für die Präsentation einiger Stücke aus dem Album „Le Vent“ holte sich Vallon schließlich seinen Mitspieler Sartorius auf die Bühne. Mit kontemplativer Schwermut, doch auch mit hellen, verspielteren Passagen, verwandelte das Duo sein Motiv - den Wind des ständigen Werdens und Vergehens - in facettenreichen Klang. Als Zugabe präsentierten die Musiker eines ihrer neuesten Stücke mit einem etwas fröhlicheren Charakter, dessen Titel klang wie ein freundlicher Abschiedsgruß – „Smile“.