Montag, 26. Mai 2014

Ohren auf für Kim Myhr und Ingar Zach



Der Klang ist gut in dem Kellergewölbe mit der bogenförmigen Decke. Genau richtig für den Perkussionisten Ingar Zach und den Gitarristen Kim Myhr. Die beiden Norweger waren am vergangenen Freitag eigens nach München gereist, um im MUG im Einstein das letzte Konzert der Improvisationsreihe „Offene Ohren“ vor der Sommerpause zu spielen.
Zuerst zauberte Zach aus der enormen Pauke und einem vielgestaltigen Sammelsurium kleinerer Klangkörper einen abwechslungsreichen Verlauf von Klangwelten. Das mit ihm reisende Instrumentarium füllte einen ganzen Tisch aus – und das war nur eine Auswahl. „Ich überlege immer genau, was ich auf eine Reise mitnehmen soll“, sagte er. Seine drei Pauken bleiben auf jeden Fall immer zu Hause, sonst würde es logistisch zu kompliziert. Hier hatte sich „Offene-Ohren“-Organisator Hannes Schneider um ein Leihinstrument gekümmert. Zachs Auftritt begann mit einem sonoren Katerschnurren. Es wechselte mit Tatzenschlägen und Krallenhieben und wurde abgelöst von Sandstürmen, Blitzen und Donnergrollen. Metallische und hölzerne Klangkörper unterschiedlicher Form und Größe wanderten auf die Pauke und wieder herunter. Becken, Bogen, Paukenschlegel, elektronische Soundelemente und Bläsertechniken erweiterten das Gefüge. Es klingelte und rasselte, rauschte und knallte. Ein Pferd schnaubte, prustete, galoppierte drauflos.
Als Zachs Geräuschgewirbel verklungen war, entfalteten Kim Myhr und seine 12-saitige Gitarre ein dichtes Klanggewebe, zu dem eine ganze Herde Pferde durch die Steppe hätte galoppieren können. Vertikal nennt Myhr seine Art zu spielen, mit wenig Variation im Sinne einer Melodielinie, dafür aber möglichst vielen Klangschichten übereinander. Man würde tatsächlich nicht vermuten, wie viel Sounddichte sich aus einer einzigen Gitarre herausspielen lässt. Das Verstellen von Saiten während des Spielens brachte zusätzliche Ebenen hinein. Als Kontrapunkte erlaubte sich Myhr ab und an auch, intuitiv einige melodische Verläufe aus den Saiten zu zupfen. „Ich möchte der Neigung widerstehen, immer dasselbe zu machen“, sagte er dazu.
Zum Abschluss ließen Myhr und Zach die Klänge ihrer Instrumente in einem Duo-Stück ineinander fließen. Ohne ein zweites als Zugabe ließ das Publikum sie nicht von der Bühne. Es spricht alles dafür, dass die beiden wieder hier zu Gast sein werden. Freunde der Improvisationsmusik können sich zunächst einmal den August vormerken für den Start in die nächste „Offene Ohren“-Saison.

Montag, 19. Mai 2014

20 Jahre „Jazz+“ in der Seidlvilla


Eine angenehme Lage, als Lieblingsband eingeladen zu werden. In der Hinsicht hatten das „Sebastian Gille Quartett“ und das Trio „Rusconi“ am vergangenen Samstag in der Seidlvilla gute Voraussetzungen. Für den zweiten Konzerttag zur Feier des 20-jährigen Jubiläums der monatlichen Reihe „Jazz +“ war die Wahl des Programmverantwortlichen Martin Kolb auf sie gefallen.
Am Freitag hatten bereits die „Lotus Eaters“ und „Schneeweiss und Rosenrot“ die Jazz-Bühne warmgespielt. Wie sie traten auch Rusconi bereits zum wiederholten Mal in der Villa auf. Das Sebastian Gille Quartett spielte erstmals auf dieser Bühne. Die beiden Ensembles brachten durch ihre kontrastierenden Stile ganz unterschiedliche Facetten des jungen mitteleuropäischen Jazz zur Geltung.
Saxofonist Sebastian Gille zeigte sich im Zusammenspiel mit Pablo Held am Piano, Robert Landfermann am Bass und Jonas Burgwinkel am Schlagzeug als „hard working jazzer“. So konnte man seinen reflektierten, komplexen Kompositionen bei einem nahezu organischen Entfaltungsprozess zuhören. Die vier Musiker gaben jedem einzelnen Ton Bedeutung, insbesondere den feinen und leisen. Als wäre es ihnen ein Anliegen zu zeigen, dass ein Saitenanschlag oder ein herbeigehauchter Saxofonton genauso wichtig ist wie eine verschachtelte Passage oder ein quirliger Verlauf.
Im Anschluss setzten Rusconi als Kontrast ihren melodieorientierten Pop-Rock-Jazz dagegen. Den präsentierten die drei, als hätten sie die Stücke beim Brainstorming in der Stammkneipe oder beim Schuleschwänzen in der Garage ausgetüftelt – das aber mit viel Fantasie und auf musikalisch hohem Niveau. Da wurden Piano, Bass und Schlagzeug kurzerhand um diverse Klänge ergänzt, von elektronischen Sounds über Gamelan-Klänge bis hin zur Bierflasche und Gesangspassagen. Ein anspruchsvoller und abwechslungsreicher Start in die dritte Dekade „Jazz +“.

Montag, 12. Mai 2014

A Cappella hoch fünf und Folk-Pop auf alt



Der Konzertabend begann A Cappella. Das Münchner Vokalensemble M5ive brachte am Samstag seine ganze eigene Mischung aus Jazz, Pop und Folk auf die Bühne des Spectaculum Mundi. Darunter die Stücke „Fragile“ von Sting und „Take Five“ von Paul Desmond. Die Arrangements stammen überwiegend von Franz Müller (Tenor). Den M5ive kommt es abgesehen von der gesanglichen Feinabstimmung auch auf den Spaß bei der Präsentation an. So kann ein Quintett, das zu 2/5 aus Österreichern besteht, schon mal einige humorige Dialekt-Elemente in einen Auftritt einbauen. Mit 1/5 aus Italien lässt sich auch diese Landessprache effektvoll einbeziehen.
In der zweiten Konzerthälfte präsentierte das Trio neoschoen mit Drehleier, Gitarre, Akkordeon und Melodica Folk-Pop mit Mittelalterelementen. Der Einsatz in diesem musikalischen Stil zeigte, was für vielfältige Klänge sich aus einer Drehleier herausholen lassen. Mal waren es fast e-gitarren-artige Sounds, mal Klänge mit Cello-Charakter und bisweilen leierte das Instrument ganz seinem Namen entsprechend. Zum Abschluss des Abends präsentierten die beiden Ensembles gemeinsam „Proud Mary“. Die Musiker gehören zum überschaubaren Kreis der Bands, die das Jahr über im Spectaculum Mundi schon mal die Bühne anwärmen für den Herbst, wenn hochkarätige Vokalensembles zum 18. Mal Deutschlands größtem A Cappella Festival „Vokal Total“ ihre Stimmen verleihen.

Sonntag, 4. Mai 2014

Welttag des Jazz mit „The Golden Striker Trio“


Am vergangenen Mittwoch, dem Welttag des Jazz, brummte der Night Club im Bayerischen Hof. Es kommt zwar ab und an vor, dass hier auch interessante Konzerte eher mäßig besucht sind. Aber Ron Carter mit dem „Golden Striker Trio“ – das zieht. Der US-Bassist ist so eine Art  musikalisches Perpetuum Mobile. Er ist auf beachtlichen 2.000 Alben zu hören, davon 20 unter seiner Leitung aufgenommen. Eine Vielzahl von Stücken hat er selbst komponiert. Er lehrt an mehreren renommierten amerikanischen Hochschulen und hat sich mit seiner Musik auch mehrfach politisch engagiert, unter anderem gegen die Apartheid und die Verbreitung von AIDS.
Es verwundert daher nicht, dass er am Konzertabend den „Night Club“ neckisch als „sein Wohnzimmer“ bezeichnete. Vom ersten Takt an klang es, als stünden Carter und seine ebenfalls hochkarätigen Co-Musiker, Pianist Donald Vega und Gitarrist Russell Malone, schon eine gute Stunde auf der Bühne. Carter spielte wie ein Uhrwerk, dabei ein ausgesprochen einfallsreiches. Elegant zeigte er, was für ein vielseitiges Melodieinstrument ein Kontrabass sein kann. Da quietschten, flüsterten, sangen und wummerten die Saiten, bis ihr Ton wechselte, abbrach oder bisweilen in den holzigsten Tiefen langsam ausklang. Carter gehen offenbar einfach nie die Ideen aus. Wahrscheinlich könnte er auch mal eben eine Stunde am Stück improvisieren.
Doch er spielte ebenso aussagekräftig „mit“, wenn sich Pianist Donald Vega in schimmernden Melodien und markanten Akkorden über die Klaviatur oder Gitarrist Russell Malone ebenso virtuos über die Saiten spielten. Der Wechsel zwischen starkem solistischen Ausdruck und zurückhaltendem Trio-Spiel gelang ihnen allen elegant. Eine besondere Stärke des Konzerts zeigte sich in den gut gesetzten Kontrasten in Rhythmus, Klangfarbe und Stimmung. Die gespielten Stücke reichten von neuen, zum Teil eigenen Kompositionen bis hin zu Standards. Ein Schwerpunkt war das Programm der aktuellen CD „San Sebastian“, darunter „The Golden Striker“ von John Lewis, nach dem sich das Trio benannt hat.
Durch feinsinniges Interpretieren und einfallsreiches Improvisieren konnten die drei jedem Stück einen eigenen, neuen Klang und Charakter geben. Mit dem von Ron Carter und Jim Hall komponierten „Candle Light“ zeigten sie ihr Potential für ohrschmeichelnde musikalische Sanftheit. In schnelleren Stücken warteten sie bisweilen völlig willkürlich irgendwo mit humorigen Überraschungseffekten auf. Da rannte Mallone schon mal von einem Takt auf den nächsten seinen Co-Musikern auf der Gitarre davon, als wolle er spontan eine Jazzpolka anstimmen, oder Carter baute in ein Solo das bekannte Thema aus „La Cucaracha“ ein. Ein Konzert, das man in mehrfacher Hinsicht reich nennen kann - an Abwechslung, an musikalischer Qualität und an Unterhaltungswert.